herzlich willkommen eine kurzgeschichte

„Wenn du unbedingt rauchen musst, dann sicher nicht im Auto.“ Das war schon fast ein Anschiss, den Polizeiobermeister Wolter seinem jüngeren Kollegen an den Kopf warf.

„Ist ja gut. Ich geh schon raus.“  

‚Den Jungen muss man gleich die Grenzen aufzeigen. Immer wieder aufs Neue’, dachte sich Wolter. Selber hatte Wolter das Rauchen aufgegeben, als er das Röntgenbild seiner Lunge gesehen hatte. Ist schon länger her.

‚Dass die Alten immer so uncool sein müssen.’ Polizeimeister Hansen mochte seinen älteren Kollegen. Aber ihre Ansichten über die Einhaltung gewisser Regeln spreizten sich doch immer wieder. 

Es war einer dieser Einsätze auf der L17 kurz hinter der dänischen Grenze. Radarfalle. Langeweile. Wolter sah sich als der gerechte Scheriff, der die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung als seinen Lebensinhalt schlechthin ansah. Hansen, selber ein etwas flotterer Fahrer, konnte nicht verstehen, dass an dieser harmlosen Stelle Autofahrer zu Kasse gebeten werde, wenn sie mal gerade 15 km/h zu schnell unterwegs waren. 

Hansen nutze die Rauchpause auch zum Pinkeln. Die Fluppe im Mundwinkel, die Finger da wo sie halt hingehören, blickte Hansen in den sternenklaren Nachthimmel. Die Sommerzeit war vor zwei Tagen zu Ende gegangen und Hansen hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass die sonnigen Stunden mit einem Schlag merklich kürzer geworden sind – rein subjektiv gesehen.   

Ein Summen lenkte Hansens Blick vom Himmel Richtung Harrislee, dort wo seine Freundin wohnte. Hansen wollte an seine Freundin denken, doch das Summen wurde lauter und er glaubte, dass sich die Luft elektrisch auflud. Hatte er noch nie erlebt. Aber er gewann nun mal diesen Eindruck. Noch bevor sich Hansen damit gedanklich beschäftigen konnte, schrie Wolter, er solle kommen, sofort! Wolter ist doch sonst immer sehr besonnen. Oder ist etwa ein Porschefahrer mit über 200 Sachen im Anmarsch? Hose zu, einen letzten Zug, Kippe weg.

„Was gibt es Wolter?“

„Sei still und hör dir den Funk an.“

Nach gut einer Minute schauten sich beide an. Die Gesichter der Beiden formten sich zu Fragezeichen. 

Wolter kam als erster auf den Boden der Wirklichkeit zurück.

„Das ist doch nur blinder Alarm. Irgendein Heißluftballon oder sonst was.“

„Kann aber auch sein“, fiel Hansen Wolter ins Wort, „dass das wirklich ein UFO ist. Als ich draußen war, hörte ich ein Summen und die Luft schien sich aufgeladen zu haben. Ist dir nicht auch aufgefallen, dass der Funk nur sehr schwer zu verstehen war und es andauernd in der Leitung knisterte.“

„Komm Hansen, sei nicht kindisch. Alle bisherigen UFO Sichtungen haben sich immer als…“

Weiter kam Wolter nicht. Ein fluoreszierendes blaues Licht erhellte ein Feld, das zwischen dem Polizeiauto an der L17 und der dänischen Grenze lag. Beide Kiefer fielen nach unten. Das Licht kam von der Unterseite eines Dings, das wohl 30 x 50 Meter groß war. Die Höhe konnten die beiden Polizisten nicht erkennen. Das blaue Licht war zu grell und der Himmel zu dunkel. Fast eine Minute schwebte das Gefährt in etwas zehn Meter Höhe. Vier stabile Landefüße, gut und gerne je 4 Meter lang, fuhren aus und das, nennen wir es jetzt UFO, setzte keine 100 Meter von der Radarfalle entfernt zur Landung an. 

Hansen schnappte sich die Nikon, stieg aus und machte sich auf den Weg Richtung UFO.

„Hansen! Hiergeblieben!“ Für so einen Fall war Wolter nicht geschult worden. Auch gab es dafür kein Handbuch. Dann hieß es also: Ruhe bewahren und auf weitere Anordnungen warten.

„Funk die Zentrale an, dass das UFO gelandet ist.“ Wollte sich Hansen nicht zurückhalten lassen.

„Wir wissen doch gar nicht, ob wir dafür zuständig sind.“ 

„Das hier ist eindeutig ein Flurschaden. Dafür sind wir zuständig.“ Hansen hielt seine Argumentation für absolut kindisch, aber für Beamte war es nun mal logisch. 

„Ja aber, das Gefährt ist nicht von der Straße abgekommen. Für den Flugverkehr sind wir nicht zuständig.“ Wolter meinte das absolut ernst. „Außerdem funktioniert der Funk nicht.“

„Warte“, setzte Wolter nach kurzer Überlegung fort. „Wir müssen den Tatort absperren. Nimm alles dafür mit.“

Die Absperrrollen reichten nicht aus. Dennoch, von der L17 kommend, war die Absperrung deutlich sichtbar.   

Hansen hatte eine Reihe Fotos geschossen, als vier weitere Kollegen eintrafen und die ersten Schaulustigen zurück zur L17 drängten. Das Summen hatte aufgehört, das blaue Licht blieb weiter an. Mittlerweile standen sechs Polizisten, rund 30 Schaulustig und Bauer Friedrich in sicherer Entfernung vor dem außerirdischen Raumschiff. 

„Und wer kommt jetzt für den Schaden auf meinem Feld auf?“ unterbrach Bauer Friedrich die Stille.

„Das hier ist eine einmalig historische Begegnung. Und du kommst mir mit deinem kleinlichen Flurschaden“, entgegnete Hansen. „Frag doch die Ankömmlinge.“

„Ich glaub aber nicht, dass die Euro dabei haben.“ Bauer Friedrich bestand auf seine Forderung.  

Gleichzeitig mit einem grellen Kegellicht ertönte das typische Geräusch von Rotorblättern. Die Bundespolizei aus Bad Bramstedt war im Anmarsch. 

„Wer hat hier die Absperrung errichtet?“ 

Während alle Anwesenden auf den landenden Hubschrauber schauten, war auch schweres Gerät der Bundespolizei eingetroffen. Eine provisorische Einsatzzentrale wurde errichtet. War wohl der Einsatzleiter, der die Frage an Wolter gestellt hatte.

„Ich, Polizeiobermeister Wolter. Das waren wir. Warum?“

„Ab jetzt übernehmen wir!“

„Wer sagt das?“ Hansen war kaum überrascht, dass Wolter sich nicht so leicht abwimmeln lassen wollte. 

Der Typ von der Bundespolizei wandte sich bereits ab, ohne es für würdig zu halten, ein Antwort zu geben. Wolter griff von hinten energisch an die Schulter des Bundespolizisten. Ein wenig überrascht drehte sich der Mann um.

„Ich wiederhole“, blieb Wolter ruhig, „wer sagt das?“

„Hauptkommissar Weidler, mobiles Einsatzkommando.“ Es war diesem Beamten leicht anzumerken, dass er sich mit Dorfpolizisten nicht abgeben wollte. Weidler wollte Klarheiten schaffen.

„Und warum glauben sie, dass sie zuständig sind?“ 

„Wollen sie jetzt Kompetenzfragen erörtern? Hier besteht eine mögliche Bedrohung.“ Weidler merkte man an, dass er sich anstrengen musste, ruhig zu bleiben. „Das hier ist eine außergewöhnliche Situation. Lassen sie mich jetzt weiter arbeiten.“

„Sie scheinen die Situation falsch einzuschätzen.“ Wolter war die Ruhe in Person.

„Was!?“ schrie Weidler Wolter an.

„Sie brauchen nicht zu schreien. Das hier ist ein außerirdischer Besuch. Somit ist nicht das Innenministerium zuständig.“ Ein frappierend logischer Einwand. „Für ausländische Gäste, selbst solche von einem anderen Planeten, ist das Außenministerium zuständig. Und sie Herr Weidler und ihre Truppe unterstehen nicht dem Außenministerium. Ergo sind wir, die als erste am Tatort angelangt sind bis aufs weiters verantwortlich. Unabhängig ob wir von einer Bundespolizeiinspektion kommen oder sie von der Direktion. Alles geregelt in der Bundespolizeizuständigkeitsverordnung.“

Hansen imponierte dieser Vortrag seines Vorgesetzten.

„Wer hat hier das Kommando?“ kam jetzt ein GSG 9 Mann hinzu. Gerade rechtzeitig, bevor der Streit zwischen Wolter und Weidler weiter eskaliert wäre.

„Ich.“

„Ich.“

„Schön, dass sie beide die Verantwortung übernehmen wollen. Aber ab nun sind wir es, die diese Operation leiten.“

Nach dem Namen brauchte man bei den Leuten von der GSG 9 erst gar nicht fragen.

„Kommen sie. Ich begleite sie zur provisorischen Einsatzzentrale“, schlug Weidler vor und zeigte Richtung Zelt. Wolter folgte beiden mit Hansen im Schlepptau. 

Mittlerweile waren derart viel Schaulustige erschienen, dass die Beamten, egal welche Kompetenz sie nun hatten, davon Abstand nahmen, die Männer, Frauen und Kinder noch weiter abzudrängen. Die ersten Medienvertreter gingen in Stellung.

Der GSG 9 Mann, ein Major, gab diverse Befehle, um seine Leute rund ums Raumschiff zu positionieren.

„O.K. Wer war als erster hier?“ stellte der Major die Frage an die drei Uniformierten.

„Wir“, ergriff jetzt Hansen das Wort und zeigte dabei auch auf Wolter. Beide schilderten knapp, trocken, informativ die Landung.

„Wer hat hier das Kommando?“ fragte ein in das Zelt eintretender Zivilist.   

„Ich“, antwortete pflichtbewusst der Major.

„Wissen wir schon Näheres über dieses“, der Mann im dunklen Zweireiher benötigte ein wenig Überwindung, um dann die Frage mit „UFO?“ zu beenden.

„Nein“

„Noch keine Informationen, ob ein Asylantrag gestellt oder ein Visum beantragt worden ist. Immerhin wurde auch gegen diverse Luftverkehrsgesetze verstoßen, sowie Landfriedenbruch begangen“, setzte der Zivilist fort.

‚Was ist denn das für ein Idiot’, dachte sich Hansen.   

„Gut, dass sie das ansprechen“, warf Bauer Friedrich vom hinteren Teil des Zeltes ein.

„Was will der denn hier“, war Weidler in seinem Element. „Entfernen sie diesen Mann, der hat hier nichts zu suchen.“

Bauer Friedrich protestierte nur ein ganz ein wenig und ließ sich hinter die Absperrung führen.

„Und wer ist jetzt nun zuständig und gibt die Befehle?“ wollte Wolter nun endlich von dem Zivilisten wissen.

„Gute Frage Herr …?“

„Wolter mein Name.“

„Nun gut Herr Wolter. Ab jetzt das Land Schleswig-Holstein. Herr Albig ist auf den Weg hierher. Ich bin sein Sekretär, Momsen mein Name.“

„Wer hat hier das Sagen.“ Noch ein Zivilist.

„Jetzt reicht es!“ Der Major, einer von der besonnenen Art, dem es aber sicher nicht an Entschlussfähigkeit fehlen sollte, geriet nun in eine leicht verzweifelte Ungeduld. „Seit ich vor 15 Minuten eingetroffen bin, reden wir nur über Kompetenzstreitigkeiten. Da steht ein UFO! Will das endlich jeder kapieren.“

„’Tschuldigung. Aber noch einmal meine Frage, wer hat bisher die Führung gehabt. Ich heiße…“

„Wir wissen, wer sie sind Herr Gröhe“, legte der ungeduldige Major fort. „Ich bin und bleibe auch zuständig für diesen Einsatz. Klar?“

„Ich weiß nicht, wer sie sind?“ Hansen fand die ganze Situation zu komisch und wollte eben noch eins drauflegen.

„Staatssekretär Gröhe mein Name. Also, welche Information über das Gerät das draußen können sie mir geben Herr Major.“

„Noch keine.“ Jetzt war der Major schon ziemlich genervt. „Weil andauernd irgendwelche Leute kommen, die mich und meine Männer von der eigentlichen Arbeit abhalten.“

„Na dann ist es ja gut, dass ich noch rechtzeitig gekommen bin.“ Souverän der Gröhe, dachte sich Hansen. „Geht irgendwelche Strahlung von dem UFO aus? Gab es schon seitens der Besucher Kontaktversuche? Sind wir gegen biologische oder chemische Kontamination gerüstet? Herr Major, klären sie diese Informationen als erstes und erstatten sie mir dann Bericht.“

„Gentlemen“, der dritte Zivilist. „I am the representative of the European Union. Who is the conductor of this operation?“

„Shut up“, schalte es unisono dem EU Vertreter entgegen. Der Mann aus Brüssel erkannte, dass es wohl besser wäre, erst einmal still zu sein.

Einer der GSG 9 Beamten betrat nun das Zelt und fragte: „Wer ist denn hier zuständig?“ Eine gewisse Aggressivität schlug dem Beamten entgegen. Er wusste nicht warum.

„Ich“, antwortete schließlich Gröhe.

„Herr Gröhe. Hier ist eine Nachricht aus dem UFO. Möchten sie diese hören?“

„Sicher.“ Alle im Zelt verstummten mit einer angeregten Neugierde.

„Also. Sie, die Leute im UFO, entschuldigen sich, dass sie ohne Ankündigung einfach so gelandet sind. Sie kommen in genau 17 Tagen noch einmal hier vorbei. Sie würden dann gerne mit dem Mann sprechen, der die Fotos von ihrer Landung geschossen hat. Sie hätten auch gerne Abzüge für ihr Sammelalbum. Auch entschuldigen sie sich für den Flurschaden, und Bauer Friedrich soll ihnen doch bitte mitteilen, was für Kosten entstanden sind und ob Gold als Entschädigung akzeptiert wird.“    

Draußen summte es wieder.